Es sei mal dahingestellt, ob dieses Wort so überhaupt
existieren kann, aber es trifft den Kern
der Sache einfach zu gut. Wer kennt sie nicht? Diese Menschen, die gerade
zurück aus Kenia, Bolivien, Australien oder Kanada sind und die Quintessenz
ihrer Erzählungen auf dasselbe hinausläuft: Dort ist alles besser und
grundsätzlich überschwänglich toll. In Münster, Rostock oder München hingegen
ist es einfach unglaublich öde und langweilig. Und am allerbesten: „Wenn ich
könnte, würde ich sofort wieder zurück.“
Get a Life!
Natürlich ist es einfach, eine Zeit zu glorifizieren,
während derer man sich täglich die Sonne auf den Bauch scheinen ließ und die entscheidende
Frage des Tages war, ob ich heute nur bei Bier bleibe oder mir doch noch was
Hochprozentiges hole. Aber deswegen ist woanders längst nicht alles besser.
Es ist schlichtweg unfair, sein „langweiliges“, gegebenenfalls mit Sinn
erfülltes, (Arbeits-)Leben mit einem
absoluten Larifari-Leben zu vergleichen. Den Unterschied zwischen
Ostseebad Binz und den Stränden von Kalifornien wird wohl jeder selbst
ausmachen können, aber die endlose Glorifizierung von den Menschen, die
grundsätzlich alle viel cooler und entspannter waren, nervt einfach nur noch.
Vielleicht sollte man sich dann viel mehr Frage stellen: Was mache ich in
Deutschland dann eigentlich falsch?
Mir geht es in Indien zum Beispiel gerade wahnsinnig auf den
Geist, dass jeder Gang zur Metro eine Nahtoderfahrung ist, weil im Sekundentakt
Autospiegel meine Oberarme berühren und in der Regel etwa zehn Zentimeter
zwischen angefahren werden oder nicht angefahren werden entscheiden. Auch in
der Metro selbst gleicht es einem absoluten Überlebenskampf. Bereits zwei
Stationen bevor ein Inder die Bahn verlassen will, drängelt er sich bereits in
Richtung Tür und verbreitet allgemeine Panik. Entspannt Musik hören auf dem Weg
zur Arbeit? Unmöglich! Vom täglichen Russischen Roulette an den Zebrastreifen ganz
zu schweigen. Und wisst ihr was nun der wesentliche Unterschied ist? Dass ich
genau diese Dinge auch den Leuten erzähle, die mich fragen werden, wie es denn
so war in Indien. Bei 95% der anderen Reisenden fällt das nämlich stillschweigend unter
den Tisch oder bei ganz abzockten Glorifizierern ist die Wahrnehmung bereits so
weit manipuliert, dass solche negativen Nebengeräusche gar nicht mehr
wahrgenommen werden.
Natürlich feier ich den Sonnenschein, die Diversität und die
natürliche Schönheit Indiens bzw. der schönen Fleckchen dieser Erde auch bis
zum Abwinken, aber das ändert nichts daran, dass es dort ebenso eine Unmenge
von gesellschaftlichen Defiziten gibt, die auch bei jedem Reisebericht nicht
fehlen sollten.
In Deutschland ist wahrlich nicht alles gut und ich bin weit
entfernt davon, auf umgekehrte Weise Deutschland zu glorifizieren, aber 99% der
Reiseberichte sind schlichtweg viel zu eindimensional und kaum mehr zu
ertragen.
Oder wie seht ihr das?
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