Das Taj Mahal zählt zweifelsohne zu den berühmtesten
Monumenten, die die Menschheit bis heute hervorgebracht hat. Da gibt es wohl
keine zwei Meinungen. Nicht zuletzt der Status als UNESCO-Weltkulturerbe
bestätigt das. Der riesige Marmor-Palast mit seinen wundervoll angerichteten
Gärten in Agra (Uttar Pradesh) lockt seit Jahrhunderten riesige (hauptsächlich
indische) Touristenscharen an und verzaubert diese mit seiner Aura von
Tausendundeiner Nacht.
Vor wenigen Tagen durfte ich eines der größten To-Do’s von
meiner endlosen Liste streichen und habe mich auf den Weg nach Agra gemacht. In
der Nachbetrachtung stellt sich mir und meiner begleitenden Herzdame Sarah vor
allem eine eigenartige Frage: Wer oder was war hier eigentlich die Attraktion? Das
einst von Großmogul Shah Jahan zu Ehren seiner verstorbenen Frau, Mumtaz Mahal,
errichtete Weltkulturerbe oder die zwei europäischen Touristen, von denen der
eine sein Cap so provokant rückwärts trägt? Eine klare Antwort auf diese Frage
erscheint schwerer als gedacht/erhofft. Nach Fotomotiven steht es
wahrscheinlich Unentschieden.
Nachdem wir das erste Tor auf dem Weg zum Taj Mahal passiert hatten, drehte sich unverzüglich die allgemeine Aufmerksamkeit der Besucher - also auch abseits von Verkäufern und ultimativ exklusiven Taj Mahal Guides - eigentlich nur noch um uns. Bis zu einem gewissen Grad war das vielleiecht ja zu erwarten, aber die tatsächlichen Ausmaße überstiegen jegliche Vorstellungskraft.
Die ersten Fotos sind noch ganz lustig. Zugegeben: So ein bisschen Backtreetboy-Feeling genießen
wir doch alle mal ganz gern. Die nächsten zehn Fotos sind es vielleicht auch
noch – aber jedem, der über eine gesunde Egozentrik verfügt, wird das ständige Fotografieren
relativ zügig zu viel. Jede erneute Zusage auf "only one photo"
resultiert in einer Menschentraube, aus der dann ein Duzend weitere Inder
"only one photo" wollen. Andere fragen gar nicht erst, sondern
knipsen einfach drauf los.
„Ein bisschen Hollywood ist ja okay, aber für so viel Stress
erwarte ich dann auch den Kontoauszug aus L.A...“
Auch wenn es der indischen Mentalität eher weniger
entspricht, solche meist höflich vorgetragenen Anfragen schroff abzuweisen,
sollte man spätestens nach dem dritten Foto damit beginnen. Ansonsten verkommt
der Besuch des Meisterwerks indischer Mogul-Kultur zur wahren Hetzjagd und vom
Genuss des opulenten Mausoleums kann wahrlich keine Rede mehr sein. Dennoch
gilt auch hier: Der Ton macht die Musik! Den Eindruck von eingebildeten
Europäern, die grundsätzlich meinen, dass sie über den Dingen stehen, wollen
wir schließlich auch nicht erwecken.
Allen "eigentlich war Ich ein bisschen enttäuscht" Vorankündigungen meiner Freunde aus Delhi zum Trotz: Der Besuch des Taj Mahal war dennoch eine absolut lohnenswerte Unternehmung. Das lag zum einen nicht zuletzt daran, dass das Taj Mahal mit seiner bloßen Imposanz auf jeder Lebens-To-Do-Liste einen Top 10 Platz einnehmen sollte. Aber zum anderen auch daran, dass wir viel über die indische Mentalität lernen konnten. Denn genauso foto-begierig sich die Inder erwiesen hatten, so unverzüglich wurde von ihnen auch ein "No" auf eine Fotoanfrage hingenommen und jegliche Belästigung eingestellt. Insofern gilt für den Taj Mahal Besuch das Gleiche wie für 39879 andere Lebenslagen: Du bist deines Glückes Schmied.
Ein nützlicher Hinweis für zukünftige Besucher
Das ultimative Angebot der ultimativ aufdringlichen Guides, für nur 200 INR die endlos lange Eingangsschlange zu passieren und den sogenannten VIP-Eingang dank ihnen nutzen zu können, ist völliger Humbug. Diesen Eingang muss(!) ein Foreigner ohnehin benutzen, da man den dreifachen Preis(750 INR) (ob man das will oder nicht) bezahlt und dadurch bevorzugten Zugang erhält.
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