Mittwoch, 7. Januar 2015

Abschied aus Delhi: Wie eine schlechte Schnulze

Mit Abschieden hat wohl jeder so seine eigenen Erfahrungen. Manche sind – ohne immer die genauen Gründe dafür zu kennen – erstaunlich leicht, andere wiederum unerwartet schwierig und intensiv. Mein Abschied aus Delhi hatte so ein bisschen von beidem.


Eigentlich war ich Laufe meiner letzten drei Tage in Delhi irgendwie froh über die Aussicht, bald wieder in einem weitgehend funktionierenden Staat zu leben, wo alles seine Ordnung hat und man sich auf bestimmte Dinge einfach verlassen kann. Meine unglaubliche Fußball-Sehnsucht ist in diesem Blog ja bereits mehrfach erörtert worden und natürlich vermisst man auch all die Leute, die einem lieb sind, unheimlich. Bestimmt von diesen Grundgedanken war ich im Rahmen meiner letzten Tage eigentlich eher freudig auf meine Rückkehr gestimmt. Das sollte sich jedoch schlagartig ändern. Und zwar wann? In den letzten 24 Stunden vor dem Flug.

Aus nicht wirklich nachvollziehbaren Gründen wurde mir urplötzlich schmerzhaft bewusst, wie sehr ich dieses indische Chaos, das stetige undurchschaubare Treiben und diesen puren indischen Pragmatismus bereits in  Fleisch und Blut habe. Von null auf hundert realisierte ich während der letzten hart ausgehandelten Rikschafahrt plötzlich, dass die ersehnte „deutsche Ordnung“ für mich wohl vor allem auch eines bedeuten wird: Langeweile.

Dem alltäglichen Hindernislauf zwischen Affen und Cricket-Kids folgt nun das gesittete Läufchen durch die spießbürgerliche mecklenburger Reihenhaussiedlung.Den Cuba Libres auf den schmucken Dächern Delhis mit Exoten aus Südafrika, Australien und Nepal folgt nun der sonntägliche Kaffeeklatsch mit Mutti. Damit will ich Muttis Kaffeetisch beileibe nicht zu nahe treten, es scheint nur so unglaublich gewöhnlich im Vergleich zu den letzten Monaten.

Wovor ich mich eigentlich am meisten grusele, sind vor allem die sogenannten „Probleme“, mit denen meine Landsleute mich von nun an wieder konfrontieren werden und mich dringlichst fragen werde, welches Problem sie eigentlich meinen.

Zum Beispiel? Person A: „Heute früh musste ich zehn Minuten auf meinen Bus warten und war dann den ganzen Tag schlecht drauf.“ Meine Antwort, die ich sehr wahrscheinlich für mich behalten würde: „Sei froh, dass überhaupt ein Bus fährt..“ Oder: „Der Kalbsbraten von Oma war heute sehr salzig, den konnt ich kaum essen.“ „Sei froh, dass Oma sich überhaupt solche Mühe für dich machen kann.“  Unsere „Probleme“ erscheinen einfach so erstaunlich banal.

Das mag jetzt vielleicht so klingen, als ob mich in Indien die ultimative Erleuchtung ereilt hätte und ich mich nun auf irgendein moralisches Podest hieven möchte, Doch so ist es wahrlich nicht. Es ist nur tatsächlich so, dass die Definition von „Problem“ sich unweigerlich wandelt, wenn man eine bestimmte Zeit in der sogenannten dritten Welt verbringt. Das vergeht sicher wieder – oder auch nicht.