Samstag, 27. Dezember 2014

Goa und der kleine Junge in mir

Eigentlich bin ich so ziemlich der Letzte, der sich auch nur über irgendetwas beschweren dürfte, schließlich ersaufe ich derzeit in Lebensqualität. Die Strände des indischen Urlaubsstaates Goa sind einfach traumhaft und auch das Wetter könnte besser kaum sein (täglich 30-35°). Zudem habe ich eine wunderbare Strandhütte, die zwar mitten im indischen Dschungel liegt, von der aus aber der Marsch zum angenehm gepflegten Palolem Beach trotzdem keine Zigarettenlänge überschreitet. Auch in Anbetracht der Preis-Leistungskurve des goanischen Essens wären wahrscheinlich selbst die Aldi-Brüder blass geworden.
Life is hard
 Und nun wage ich es ernsthaft, mich zu beklagen?

Ja, weil der kleine Junge in mir, mir mal wieder nicht sonderlich hilfreich zur Seite stand.

Entscheidung 1 des kleinen Jungen:

Ich war ja bereits das ein oder andere Mal in sonnigen Ländern - Sonnencreme brauch ich nicht! Meine Haut kann das ab! Danke für diesen Ratschlag, kleiner Junge!
Es ist nicht so als hätte ich nun einen dezenten Sonnenbrand auf den Schultern oder den Armen, nein, ich habe im Prinzip einen Ganzkörpersonnenbrand und ich pelle wie eine Wurst und bin nu einer der Menschen, die mit T-Shirt am Strand abhängen (müssen).

Entscheidung 2 des kleinen Jungen:

Okay, vielleicht mag Entscheidung 1 eher aus der Kategorie „weinerlich“ stammen. Also hat sich der kleine Junge noch eine weitere clevere Entscheidung überlegt: Ich spiele einfach den ganzen Nachmittag mit den kleinen indischen Jungs Fußball am Strand (Goa ist der einzige ind. Staat, in dem Fußball wirklich relevant ist), obwohl mir die Füße eigentlich schon nach einer halben Stunde höllisch wehtaten. Schließlich durste ich nach Fußball bereits seit etwa drei Monaten.
Lieber kleiner Junge in mir, für diesen einen Nachmittag war das eine tolle Entscheidung, weil es mit den Kids wahnsinnig Spaß gemacht hat, für die fünf(!) Tage danach aber leider pure Idiotie. Neben einer Fleischwunde am linken Fuß zieren meinen rechten zwei große Blasen, die auch noch fünf Tage danach jede Bodenberührung zur Hölle machen.

Beruhend auf Entscheidung 1 und 2 gebe ich nun ein ziemlich lustiges Gesamtbild ab. Denn nun bin ich der komische Typ, der ständig mit T-Shirt am Strand rumhängt („Wenn er nicht braun werden will, kann er ja zu Hause bleiben“), der bei jedem Schritt, den er tätigt, ein wenig humpelt und manchmal nun sogar Verbände um seinem Fuß trägt. Für einen Außenstehenden wäre diese fortschreitende Selbstverstümmelung sicher amüsant. Mal sehen, was der kleine Junge sich für die nächsten Tage so einfallen lässt.

Bin ich glücklich, dass das derzeit meine einzigen (Luxus-)Probleme sind.


Viele Grüße aus Goa! 

Mittwoch, 24. Dezember 2014

Merry Christmas aus Goa!

Ich will euch ja Weihnachten wahrlich nicht madig machen, aber Santa weilt derzeit noch in Goa am Strand. Ich drücke die Daumen, dass er es noch nach Deutschland schafft! #abhängenmitsanta

Freitag, 19. Dezember 2014

Kommentar: Stoppt die Auslands-Glorifizierer!



Es sei mal dahingestellt, ob dieses Wort so überhaupt existieren kann,  aber es trifft den Kern der Sache einfach zu gut. Wer kennt sie nicht? Diese Menschen, die gerade zurück aus Kenia, Bolivien, Australien oder Kanada sind und die Quintessenz ihrer Erzählungen auf dasselbe hinausläuft: Dort ist alles besser und grundsätzlich überschwänglich toll. In Münster, Rostock oder München hingegen ist es einfach unglaublich öde und langweilig. Und am allerbesten: „Wenn ich könnte, würde ich sofort wieder zurück.“ 

Klar darf man einen bestimmten Ort der Welt besonders gern haben, aber damit muss man nicht alles, was man bis dato sein zu Hause nannte, herabwürdigen. Ich habe bis heute Bekannte, die vor sechs Jahren einige Monate im Ausland waren und immer noch täglich darüber erzählen, wie wahnsinnig das war.

Get a Life!

Natürlich ist es einfach, eine Zeit zu glorifizieren, während derer man sich täglich die Sonne auf den Bauch scheinen ließ und die entscheidende Frage des Tages war, ob ich heute nur bei Bier bleibe oder mir doch noch was Hochprozentiges hole. Aber deswegen ist woanders längst nicht alles besser. Es ist schlichtweg unfair, sein „langweiliges“, gegebenenfalls mit Sinn erfülltes, (Arbeits-)Leben mit einem absoluten Larifari-Leben zu vergleichen. Den Unterschied zwischen Ostseebad Binz und den Stränden von Kalifornien wird wohl jeder selbst ausmachen können, aber die endlose Glorifizierung von den Menschen, die grundsätzlich alle viel cooler und entspannter waren, nervt einfach nur noch. Vielleicht sollte man sich dann viel mehr Frage stellen: Was mache ich in Deutschland dann eigentlich falsch?

Mir geht es in Indien zum Beispiel gerade wahnsinnig auf den Geist, dass jeder Gang zur Metro eine Nahtoderfahrung ist, weil im Sekundentakt Autospiegel meine Oberarme berühren und in der Regel etwa zehn Zentimeter zwischen angefahren werden oder nicht angefahren werden entscheiden. Auch in der Metro selbst gleicht es einem absoluten Überlebenskampf. Bereits zwei Stationen bevor ein Inder die Bahn verlassen will, drängelt er sich bereits in Richtung Tür und verbreitet allgemeine Panik. Entspannt Musik hören auf dem Weg zur Arbeit? Unmöglich! Vom täglichen Russischen Roulette an den Zebrastreifen ganz zu schweigen. Und wisst ihr was nun der wesentliche Unterschied ist? Dass ich genau diese Dinge auch den Leuten erzähle, die mich fragen werden, wie es denn so war in Indien. Bei 95% der anderen Reisenden fällt das nämlich stillschweigend unter den Tisch oder bei ganz abzockten Glorifizierern ist die Wahrnehmung bereits so weit manipuliert, dass solche negativen Nebengeräusche gar nicht mehr wahrgenommen werden.

Natürlich feier ich den Sonnenschein, die Diversität und die natürliche Schönheit Indiens bzw. der schönen Fleckchen dieser Erde auch bis zum Abwinken, aber das ändert nichts daran, dass es dort ebenso eine Unmenge von gesellschaftlichen Defiziten gibt, die auch bei jedem Reisebericht nicht fehlen sollten. 

In Deutschland ist wahrlich nicht alles gut und ich bin weit entfernt davon, auf umgekehrte Weise Deutschland zu glorifizieren, aber 99% der Reiseberichte sind schlichtweg viel zu eindimensional und kaum mehr zu ertragen.
Oder wie seht ihr das?

Mittwoch, 17. Dezember 2014

Winterdepression? Nichts wie weg hier!

Man mag es kaum glauben, aber es ist wirklich wahr: Auch in Indien gibt es Winter! Für mich war das eine fundamentale Erkenntnis, schließlich war das doch die Jahreszeit, die ich auf Teufel komm raus vermeiden wollte. Der Winter in Indien sorgt nicht nur dafür, dass ich etwa im eineinhalb Wochenrhythmus irgendwelche weinerlichen Krankheiten habe, sondern auch für eine ähnliche Winterdepression, wie sie mich in Deutschland etwa Mitte Dezember ereilt. Selbst die buchstäbliche Notfall-Jacke, die sich last minute in meine Reisetasche geschlichen  hatte, hat mittlerweile eine traurig regelmäßige Verwendung. Nachts fallen die Temperaturen immer wieder in Richtung Gefrierpunkt und tagsüber sind zweistellige Temperaturen eher eine Seltenheit als Normalität.

Eine Nebenstraße in Delhi nach einem halben Tag Regen. So wird jeder Spaziergang zur Metro ein Abenteuer.
Aber wer hat schon Lust auf Gatscherei und indische Winterdepression? Und viel wchtiger: Wie lösen wir dieses "Problem"?

Korrekt! Wir sehen zu, dass wir hier wegkommen! Da das Goethe-Institut zwischen 19.12 und 31.12 nur in einem Standby-Betrieb verweilt, bei dem es anscheinend auf die extrem hochwertigen Dienste seiner Premium-Praktikanten verzichten kann, habe ich jede Freiheit, das verregnete und kalte Delhi mittelfristig zu verlassen. Yes, Baby!

Wohin soll es gehen? Umso weiter weg, umso besser. Daher lautet die logische Wahl: An die wundervollen Strände von Goa im mittleren Süden Indiens. Im Prinzip werden mir seit Beginn meines Indien-Aufenthalts die schönsten Fabeln über Goas Strände erzählt - Grund genug, diese mal auf ihre Wahrheit zu prüfen. Außerdem werde ich so, so richtig traveller-mäßig, Christmas am Strand feiern (und unpassenderweise Christmas in Harlem von Kanye West hören).


Post Scriptum

Wie bereits angedeutet, ist meine etwas längere Blog-Abstinenz auf eine kontinuierliche Abfolge von kleineren weinerlichen Krankheiten zurückzuführen. Nun bin ich aber wieder bei vollen Kräften.

Sonntag, 7. Dezember 2014

Königsdisziplin in Indien: Fit bleiben!

Ich gebe es ja zu, meine Sportbesessenheit geht manchmal ein wenig zu weit. In der Vergangenheit hat meine Besessenheit so weit geführt, dass ich mit anderen Sport-Adicts (Gruß an Marcus S.!) durch irgendwelche vertrockneten Einöden Mexikos oder Nicaraguas bei beißender Mittagshitze gelaufen bin und sich den dort ansässigen Menschen der Kiefer ausrenkte. Zudem bin ich gerade das erste und wahrscheinlich auch letzte Mal in meinem Leben in Indien und das sollte eigentlich Grund genug sein, andere Dinge im Kopf zu haben.

Dennoch: Wenn man sein Leben lang auf nahezu täglicher Basis Sport getrieben hat, dann kann man nicht einfach so sagen: "Okay, ich bin jetzt in Indien, jetzt mache ich einfach mehrere Monate nix." Und glaubt mir, ich hab es probiert! Nach drei Wochen des Nichtstuns fühlte ich mich aber körperlich so schlecht und unausgeglichen, dass ich es kaum mehr ertragen konnte.

Wozu das geführt hat?

Zu mehreren Ausdauerläufen durch die indische Metropolen-Prärie, die an Absurdität kaum zu überbieten waren. Erstmal vorweg: In Delhi bzw. Indien gibt es keine kleinen Sportstadien oder gepflegte Wälder, wo man sich konditionell austoben könnte. Für so etwas fehlen schlichtweg die öffentlichen Mittel. Erst recht für Fußball-, Basketballplätze oder sonstige Extravaganzen.


Die einzige Option, die deshalb verbleibt: kleine mittelmäßig versüffte Parks inmitten der Innenstadt. Eine Runde in so einem Park mag in etwa 200 bis 300 Meter lang sein und dementsprechend lauten meine Tagesziele dann zwischen 25 und 30 Runden dort zu laufen. Was würde ich dafür geben, wenn versüffte Parks meine einzigen Probleme wären! Denn: Neben der bestialischen Luft der versmogtesten Stadt der Welt, die meine Lunge buchstäblich nach einem Sauerstoffzelt schreien lässt, ist da auch noch ein weiteres Hindernis: der zweite Volkssport der Inder, Walking. Und das nicht zu knapp.

Ich bin nicht sicher, ob das nur ein Delhi-Ding ist, aber Muttis, Omas, Opas und Männer ziehen sich Laufschuhe zur Jeans oder dem Sari an und walken. Runde für Runde, Tag für Tag - und wo? Richtig, im Park. Der einzig möglichen Sphäre der körperlichen Ertüchtigung in Indien. Genau, da wo der übermotivierte Ausländer regelmäßig morgens erscheint und im Slalomlauf seine 30 Runden absolviert und dabei mehr Ausweichmannöver als Meter macht.

Die Inder werden sich wohl fragen: "Ist dem das nicht nach einer Weile auch zu blöd,  andauernd einen Hindernislauf zu absolvieren, bei dem indische Hausfrauen ihm empört hinterher blicken, wenn er sie abermals denkbar knapp auf dem denkbar schmalen Weg passiert?"

Nein, ist es mir nicht, liebe Damen und Herren. Ich habe nämlich keine andere Wahl - so traurig das auch ist. Denn selbst in den Fitnessstudios würde es auf das Gleiche hinaus laufen. Nur würde ich dort 30 Euro im Monat bezahlen und dürfte mir drei Laufbänder und vier Hanteln mit 287 verschiedenen Menschen teilen. Demnach ist es der einzige Unterschied, ob ich Stress-Sport im Fitnessstudio für 30 Euro im Monat oder im Park für lau habe.

An ganz bizarren Tagen bekommt dieses ganze Dilemma übrigens die Sahnehaube aufgesetzt. Etwa einmal pro Monat erscheinen Affen im Park und machen das Erlebnis Stress-Sport ultimativ perfekt. Nun müssen in den Laufweg neben den Walkern und Walkerinnen auch noch aufgeregt umherspringende indische Kids einkalkuliert werden, die mit ihren Cricket-Schlägern den Affen hinterherjagen.

Somit wäre es wohl eindeutig bewiesen: Fit bleiben in Indien ist die ultimative Königsdisziplin!

Donnerstag, 4. Dezember 2014

Bilderpotpurri: Rishikesh ("World Capital of Yoga")

Es gibt Orte auf der Welt, die lassen sich schwierig in Worte fassen - man muss sie schlichtweg erlebt haben. Rishikesh, die "World Capital of Yoga", ist so ein Ort. Es handelt sich dabei um das weltweit berühmte Mekka der Yogis und Yoginis. Menschen aus der ganzen Welt kommen in den Norden Indiens, um sich zum Yoga-Lehrer ausbilden zu lassen.

Ich bin zwar weder spirituell noch esoterisch veranlagt, aber dieser Ort versprüht einfach puren Frieden. Die perfekte Gelegenheit , um endlich mal abzuspannen und die Seele baumeln zu lassen. Insbesondere wenn das tägliche Chaos von Delhi den sonstigen Alltag diktiert. Tolles Essen, Yoga und Rafting: Wer hier nicht entspannt, ist selbst schuld!

Einige Eindrücke:


Für umgerechnet 16 Euro die Nacht könnte der Ausblick schlimmer sein.
















Mittwoch, 26. November 2014

IGA Delhi: Der herzloseste Flughafen der Welt


Ich hätte nie gedacht, dass es bei solch universellen und internationalen Einrichtungen wie Flughäfen tatsächlich bemerkenswerte Unterschiede in puncto Nutzerfreundlichkeit gibt, aber: Der Indira Gandhi Flughafen in Delhi hat sich das Zeugnis als herzlosester Flughafen der (mir bekannten) Welt redlich verdient.


Der ein oder andere kennt es vielleicht: Schwersten Herzens begleitet man eine geliebte Person nach einer tollen Zeit zum Flughafen und die Tränendrüsen warten aufgrund der emotionalen Gemütslage nur noch auf das Startsignal. Das Gute dabei: Da Flugpassagier Otto Normal - in dem Falle auch meine Herzdame und ich - in der Regel recht zeitig am Flughafen sind, bleibt genügend Zeit für eine angemessene ausführliche Verabschiedung und einen letzten emotional überwältigenden Austausch.

Nicht so in Delhi. Nicht einmal in die Empfangshalle wird man hier gelassen, wenn man kein aktuelles Flugticket besitzt. Die vermeintliche Lösung für dieses unnötige Dilemma: ein sogenanntes Visitors Entry Ticket, welches ich mir dann auch gekauft habe. Selbstverständlich in der Annahme, die letzte herzzerreissende Stunde vor dem Abflug mit meiner Sarah verbringen zu können. Es ist zwar schon grundsätzlich ziemlich frech, für so etwas Selbstverständliches Geld bezahlen zu müssen, aber im Rausch der Gefühle sieht man das nicht ganz so tragisch.

So machten wir uns also nichtsahnend auf den Weg zum Eingang des Flughafens. In mulmiger Vorunfreude auf einen netten Kaffee und etwas letzte Zärtlichkeit traten wir an einen Militärbeamten, dem ich selbstsicher mein Vistors Entry unter die Nase hielt. Sarahs Pass plus Flugticket wurden wortlos durchgewunken und in ihrem Windschatten folgte ich ihr. Doch was spürte ich als nächstes? Wie mir eine Hand vor die Brust fuhr! Freundlich aber bestimmt lächelte mir der Militär entgegen: "No entry for you". Meine rhetorisch etwas inakkurat formulierte Nachfrage "And what the f* is this for?", konterte er mit einem fast schon eklig selbstverständlichen "only for the arrivals". Irgendwie hatte ich das schon geahnt. War das das Starsignal für die Tränendrüsen?

Inmitten einer ungeduldigen Schlange von 20 Leuten standen wir nun also an der elektrischen Tür nach dem Motto "friss oder stirb" - in manchen Milieus besser bekannt als "fress oder sterb". Wie viel Romantik so ein unerwarteter Abschied zwischen Tür und Angel dann mit sich bringt, mag zu erahnen sein. Insbesondere wenn kleine indische Jungs dies als optimale Gelegenheit empfinden, um ein Selfie mit zwei Weißen im Hintergrund zu machen.

Aus Trotz versuchte ich nach diesem kurzen und schmerzvollen Abschied, mal die mir zugestandenen Kompetenzen meines Tickets auszutesten. Das Visitors Entry Ticket sorgte schlussendlich dafür, dass ich eine Tür und einen Militär passieren durfte. Von den Gepäckbändern oder gar den Gates war ich immer noch meilenweit entfernt. Im Prinzip ist dieses Ticket nichts anderes als Abzocke.

Den ein oder anderen Flughafen habe ich ob meiner Reisen bereits begutachten dürfen - keiner wird mir dabei so unangenehm in Erinnerung bleiben wie der von Delhi.

Mittwoch, 19. November 2014

Erlebnis Taj Mahal: Wer ist hier eigentlich die Attraktion?



Das Taj Mahal zählt zweifelsohne zu den berühmtesten Monumenten, die die Menschheit bis heute hervorgebracht hat. Da gibt es wohl keine zwei Meinungen. Nicht zuletzt der Status als UNESCO-Weltkulturerbe bestätigt das. Der riesige Marmor-Palast mit seinen wundervoll angerichteten Gärten in Agra (Uttar Pradesh) lockt seit Jahrhunderten riesige (hauptsächlich indische) Touristenscharen an und verzaubert diese mit seiner Aura von Tausendundeiner Nacht. 

Vor wenigen Tagen durfte ich eines der größten To-Do’s von meiner endlosen Liste streichen und habe mich auf den Weg nach Agra gemacht. In der Nachbetrachtung stellt sich mir und meiner begleitenden Herzdame Sarah vor allem eine eigenartige Frage: Wer oder was war hier eigentlich die Attraktion? Das einst von Großmogul Shah Jahan zu Ehren seiner verstorbenen Frau, Mumtaz Mahal, errichtete Weltkulturerbe oder die zwei europäischen Touristen, von denen der eine sein Cap so provokant rückwärts trägt? Eine klare Antwort auf diese Frage erscheint schwerer als gedacht/erhofft. Nach Fotomotiven steht es wahrscheinlich Unentschieden.

Nachdem wir das erste Tor auf dem Weg zum Taj Mahal passiert hatten, drehte sich unverzüglich die allgemeine Aufmerksamkeit der Besucher - also auch abseits von Verkäufern und ultimativ exklusiven Taj Mahal Guides - eigentlich nur noch um uns. Bis zu einem gewissen Grad war das vielleiecht ja zu erwarten, aber die tatsächlichen Ausmaße überstiegen jegliche Vorstellungskraft.
Die ersten Fotos sind noch ganz lustig. Zugegeben:  So ein bisschen Backtreetboy-Feeling genießen wir doch alle mal ganz gern. Die nächsten zehn Fotos sind es vielleicht auch noch – aber jedem, der über eine gesunde Egozentrik verfügt, wird das ständige Fotografieren relativ zügig zu viel. Jede erneute Zusage auf "only one photo" resultiert in einer Menschentraube, aus der dann ein Duzend weitere Inder "only one photo" wollen. Andere fragen gar nicht erst, sondern knipsen einfach drauf los. 

„Ein bisschen Hollywood ist ja okay, aber für so viel Stress erwarte ich dann auch den Kontoauszug aus L.A...“

Auch wenn es der indischen Mentalität eher weniger entspricht, solche meist höflich vorgetragenen Anfragen schroff abzuweisen, sollte man spätestens nach dem dritten Foto damit beginnen. Ansonsten verkommt der Besuch des Meisterwerks indischer Mogul-Kultur zur wahren Hetzjagd und vom Genuss des opulenten Mausoleums kann wahrlich keine Rede mehr sein. Dennoch gilt auch hier: Der Ton macht die Musik! Den Eindruck von eingebildeten Europäern, die grundsätzlich meinen, dass sie über den Dingen stehen, wollen wir schließlich auch nicht erwecken.

Fazit

Allen "eigentlich war Ich ein bisschen enttäuscht" Vorankündigungen meiner Freunde aus Delhi zum Trotz: Der Besuch des Taj Mahal war dennoch eine absolut lohnenswerte Unternehmung. Das lag zum einen nicht zuletzt daran, dass das Taj Mahal mit seiner bloßen Imposanz auf jeder Lebens-To-Do-Liste einen Top 10 Platz einnehmen sollte. Aber zum anderen auch daran, dass wir viel über die indische Mentalität lernen konnten. Denn genauso foto-begierig sich die Inder erwiesen hatten, so unverzüglich wurde von ihnen auch ein "No" auf eine Fotoanfrage hingenommen und jegliche Belästigung eingestellt. Insofern gilt für den  Taj Mahal Besuch das Gleiche wie für 39879 andere Lebenslagen: Du bist deines Glückes Schmied.


Ein nützlicher Hinweis für zukünftige Besucher

Das ultimative Angebot der ultimativ aufdringlichen Guides, für nur 200 INR die endlos lange Eingangsschlange zu passieren und den sogenannten VIP-Eingang dank ihnen nutzen zu können, ist völliger Humbug. Diesen Eingang muss(!) ein Foreigner ohnehin benutzen, da man den dreifachen Preis(750 INR) (ob man das will oder nicht) bezahlt und dadurch bevorzugten Zugang erhält.

Donnerstag, 13. November 2014

Ein offener Brief

Meine lieben Inder,

mittlerweile versuche ich seit 45 Tagen euer Naturell zu verstehen und ich mache wirklich große Fortschritte. Religion, Familie und Fürsorge - ich kenne schon vieles, was Euch wirklich wichtig ist. Einige Anflüge der Anarchie erschließen sich mir aber nicht so ganz. Vielleicht kann mir das jemand erklären?

Eure gute Seite


Ohne Euch zu viel Honig um den Mund schmieren zu wollen, muss ich eines zugeben: Ihr seid die barmherzigsten, großzügigsten und fürsorglichsten Menschen, die ich bisher auf meinen Reisen summa summarum kennenlernen durfte. Sobald ich auch nur auf das kleinste Problem gestoßen bin, prügelten sich meine indischen Freunden quasi darum, wer mir letztendlich helfen darf. Da fast alles in Indien über private Kontakte arrangiert werden muss, damit es nicht in Zeitlupe bzw. halbherzig abläuft, bin ich dafür extrem dankbar.

Ein anderes Beispiel indischer Gastfreundschaft gefällig? Als mein Kumpel und (mietrechtlicher) Interessenvertreter Ankur einen Anruf erhielt, der eine Hochzeitseinladung für ihn bereithielt und er beiläufig erwähnte, dass er gerade mit seinen frisch gelandeten Germans unterwegs sei, lautete die logische Schlußfolgerung des Anrufers selbstverständlich: "Please tell them that they have to come as well." Und es war keineswegs so, dass es dann bei einer solch halbgaren Einladung blieb: Nur drei Tage später hatten wir tatsächlich eine Einladung im Briefkasten mit der Bitte um verbindliche Zu- oder Absage. Ich glaube, ich übertreibe nicht, wenn ich sage, dass so etwas in Deutschland völlig undenkbar wäre. Auch eure integrativen Fähigkeiten haben mich fast täglich beeindruckt. Nach nur einer Woche in Delhi hatte ich schon so etwas wie einen festen Freundes- oder Bekannten-Kreis, der seitdem peinlichst genau darauf aufpasst, dass mir nicht eine Minute langweilig ist. Man könnte fast sagen, dass ich mich ein bisschen zu Hause fühle.

 

Eure nicht ganz so gute Seite


Und trotzdem, liebe Inder, habe ich etwas auszusetzen. Ich weiß, das mag fast schon anmaßend klingen oder vielleicht kann man es auch Klagen auf sehr hohem Niveau nennen, aber es will mir einfach nicht in den Kopf: Wie kann eine Gesellschaft, die offensichtlich aus so vielen Gutmenschen besteht, im täglichen Miteinander so anarchisch und rücksichtslos sein? Ist das wirklich nur eine Folge der schier unendlichen Menschenmasse (knapp 1,3 Milliarden), die Euch täglich dazu veranlasst, in zahlreichen Alltags-Situationen ausschließlich an euer eigenes Wohlergehen zu denken?

Was genau ich damit meine? 

Dort wo ich herkomme gibt es beispielsweise im Straßenverkehr die Prämisse der gegenseitigen Rücksichtnahme. Ich sage damit nicht, dass jeder Kraftfahrer das 24/7 beherzigt, aber als allgemein akzeptierte Spielregel gilt das Gebot der Rücksichtnahme schon. Euer Verkehrssystem hingegen erinnert mich eher an eine Anarchie. Jeder für sich, ohne Rücksicht auf Verluste. Sobald ein Autofahrer an der Ampel durch übertrieben dichtes Auffahren auch nur 50 Zentimeter gut machen kann und in Folge dessen 10 andere Autos warten müssen, weil sie sich nicht einordnen oder abbiegen können, würdet ihr euch immer wieder für den enormen Raumgewinn von 50 Zentimetern entscheiden. Wenn ihr abbiegt und dafür etwa fünf Autos eine Vollbremsun machen müssen, wird das ebenso breitwillig in Kauf genommen.

Metro-Untergrund in Delhi: Es lebe die Anarchie!
Survival of the Fittest

Die Sahnehaube dieses egomanischen Verhaltens, als ob es in jeder Minute des Alltags um Leben und Tod gehe, erlebe ich dann täglich in der Metro. Sobald ich meine Station "Central Secretariat" erreiche, beginnt ein wahrer Kampf, überhaupt aus der Metro zu kommen. Ernsthaft. Die Menschen, die im Gegensatz zu mir einsteigen wollen, gehorchen dem mMn sinnvollen Grundsatz "erst raus, dann rein" nicht im Geringsten. Viel mehr gilt für sie: "Gleichzeitig rein und raus." Die Metro zu verlassen, ist wie gegen die Strömung eines Taifuns anzukämpen. Mal erfolgreich, mal nicht.

Also...

Ich möchte das keineswegs als Anklageschrift verstanden wissen! Eigentlich mag ich Euch ja. Ich kann mir aus dem beschriebenen Widerspruch der unerschöpflichen Barmherzigkeit und absolutem Egoismus einfach keinen Reim bilden. Vielleicht kann das ja einer meiner Leser?

Liebe Grüße,
Euer Kaese!

Dienstag, 11. November 2014

Inder und Fußball - ein komisches Verhältnis

Nachdem ich über einen Monat lang intensivst versucht habe, Inder zu finden, die dem runden Leder genauso gerne hinterherjagen wie ich, habe ich nun mehr oder weniger aufgegeben. Facebook-Einträge, E-Mails und Anrufe - es hat alles nichts geholfen. Ich muss mich wohl oder übel damit abfinden, meinem liebsten Hobby, dem Fußball, hier nicht nachgehen zu können. Selbst in Nicaragua, Panama oder Costa Rica hatte ich immer wieder heiß umkämpfte Matches mit den Locals am Strand ausgetragen. In Indien scheint das leider unmöglich. Und das trotz einer gerade ins Leben gerufenen und mit internationalen Altstars gespickten indischen Fußballliga (ISL), die durchaus etwas Glamour versprüht.

Es ist eigentlich kaum zu glauben, aber dennoch wahr: Fußball-Weltmeister wie Alessandro Del Piero oder Robert Pires aber auch Weltstar Nicolas Anelka oder Manuel Friedrich (kürzlich noch beim BVB) schnüren die Töppen mittlerweile für indische Fußball-Clubs in Delhi (Dynamos FC), Mumbai (City FC) oder Goa (FC). Vom Spotlight der Fußball-Öffentlichekeit aus Chelsea, Dortmund oder Turin an den Tellerrand des Fußballgeschehens - diesen Schritt musste sich der ein oder andere Fußball-Opa sicher reiflich überlegen. Das Erschreckende dabei: Die Begeisterung der Inder darüber nähert sich offensichtlich dem Gefrierpunkt. Auf den Straßen und in den Parks wird weiterhin der Cricket-Schläger geschwungen – und sonst nichts. Das liegt vielleicht auch daran, dass schon der Slogan der ISL („Let’s Football“) und die gesamte Aufmachung der Liga etwas plastisch und uninspiriert daherkommt. Bei einer Werbeaktion der ISL in Delhi - wo ich zufällig anwesend war - scheiterten die handgezählten 20 Besucher ernsthaft daran, die acht verschiedenen Clubs der ISL aufzuzählen. Von Spielernamen oder Ergebnissen ganz zu schweigen.

Die indischen Zeitungen finden zwar zunehmend Gefallen am Fußball, doch steckt dahinter zumeist eine Expertise, als ob Lothar Matthäus über sympathische Selbstvermarktung schreiben würde. Am rechten Bildrand befindet sich mein persönliches bisheriges High- bzw. Low-Light. Ein Journalist der Hindustan Times beklagte vergangene Woche ernsthaft, dass Tim Howard - in europäischen Kreisen eher für sein Tourette-Syndrom denn sein brilliantes Torwartspiel bekannt (z.B. siehe hier) - nicht bei der Wahl zum Weltfußballer berücksichtigt wurde. Ich dachte kurz, ich träume und blätterte eine Seite weiter. Und was lese ich als nächstes? Vom überragenden Spiel des NBA-Shooting Guard Kevin Love (einer der besten Power Forwards der NBA). Die Sport-Expertise der Inder abseits vom Nationalsport Cricket scheint demnach selbst in den großen Tageszeitungen sehr lückenhaft.   

Die Inder und Fußball – ich hatte mir ehrlich gesagt etwas mehr erhofft. Zumindest hatte ich es für möglich gehalten, den ein oder anderen Freizeit-Kick zu finden, um mich ein bisschen auszutoben. Dem steh ich nun eher skeptisch gegenüber. Statt schweißtreibender Matches gegen die Einheimischen erwarten mich nun stumpfe langweilige Trainingseinheiten im Fitnessstudio. Vielleicht haben mich deutsche Medien auch etwas zu sehr vom angeblichen Hype der ISL überzeugt. Andererseits: Vielleicht braucht die ISL und eine Dynamik der Fußball-Begeisterung auch einfach noch etwas mehr Zeit und vor allem Liebe, um nachhaltig zu wachsen.  

Freitag, 7. November 2014

Bilderpotpurri: Guru Nanaks Birthday

Zwei Stunden barfuß und mit einem Kopftuch bedeckt unter einer riesigen Ansammlung von gedenkenden Sikhs - ein bisschen fühlte ich mich da schon wie Falschgeld, aber das gehört ja irgendwie auch dazu. Eine wirklich einmalige kulturelle Erfahrung.

Info: Der Geburtstag von Guru Nanak - ein Heiliger des Sikhismus - fand am 06. November statt. Neben Hinduisten und den Muslimen gehören auch die Sikhs essentiell zum religiösen Erbe Indiens und dank meines Freundes Sam hatte ich die Gelegenheit, der Zeremonie der Sikhs in einem Tempel  in Old Delhi beizuwohnen. 

Einige Eindrücke

 











Mittwoch, 5. November 2014

Videoblog: Halloween-Eklat und Bekanntschaft mit den Urinstinkten



Aufgrund "indischer Umstände" ist er etwas später online als eigentlich gedacht, aber hier ist er nun: Mein Videoblog zu den bewegenden Ereignissen des letzten Wochenendes. Reinschauen lohnt sich! Meinungen sind insbesondere zur Thematik der Political Correctness gefragt.

Sonntag, 2. November 2014

Guten Morgen!

Ich hatte ja schon eine Weile darauf spekuliert, endlich meinem ersten Affen in Indien zu begegnen. Heute früh war es dann endlich soweit. Insbesondere in den Jahren nach der Jahrtausendwende war in Indien von einer regelrechten "Affenplage" die Rede - entsprechend groß waren meine Erwartungen. Von der "Plage" scheint nun, über zehn Jahre später, nicht mehr viel übrig zu sein. Es hat satte 32 Tage gedauert, bis ich überhaupt mal einen unserer haarigen Zeitgenossen zu Gesicht bekam.

Immerhin verlief meine Erstbegegenung dann umso origineller: Auf einem Autodach direkt vor meiner Haustür in Malviya Nagar. 
Dichter hab ich mich leider nicht rangetraut. Zumindest dieses Mal ;-)
Info: Im Laufe des Abends folgt ein neuer Videoblog! In diesem geht es unter anderem um einen Halloween-Eklat und meine erste Bekanntschaft mit meinen Urinstinkten!