Sonntag, 28. April 2013

Die vielsagenden schiefen Mauern von Mexiko-Stadt


Nach einem zweistündigen Spaziergang entlang der Paseo de la Reforma, deren Anblick vorrangig durch hoch aufgeschossene Wolkenkratzer und ein reges Verkehrsaufkommen gekennzeichnet ist, bin ich mir endgültig sicher: das Zentrum von Ciudad de Mexico inklusive seiner verwinkelten Flaniermeilen im Umkreis des ehrwürdigen Palacio Nacional am Zocalo könnte wohl eins zu eins das Zentrum beinahe jeder europäischen Großstadt prägen. Egal ob in London, Paris oder Berlin.

Nichtsdestotrotz fühlt man sich auch als Besucher, der eigentlich nur selten die westliche Keule der Moral mit sich trägt, irgendwie dazu gedrängt, dem All You Can Eat Pauschaltouristen entgegen zu rufen: „Der Schein trügt.“

Die ersten Indizien dafür sind augenscheinlich. Denn selbst dem mehr oder weniger geschulten Touristenauge fällt nach nur einigen Stunden in der mustergültig hergerichteten Innenstadt unweigerlich auf, dass ein großer Teil der historischen Mauern im Zentrum von D.F., wie die Mexikaner ihre Hauptstadt zumeist nennen, schief stehen. Die Mauern der Gebäude - seien sie historisch bedeutsam oder nicht - neigen, ähnlich dem schiefen Turm von Pisa, zu einer bestimmten Seite. Was an für sich wohl selbst für den hyperkritischsten Touristen kein sonderliches Problem darstellt. Jedoch spiegelt dieser vermeintlich ausschließlich baustatische Mangelzustand beinah in Perfektion die sozialen Probleme der mexikanischen Metropole wider, die knapp neun Millionen Menschen beheimatet.

Denn trotz aller Schönheit des kulturell geprägten Zentrums der Innenstadt, erscheint fast es so, als ob die ungeliebten und gern überhörten Stimmen der Armut bis in die Innenstadt hallen und buchstäblich versuchen, an den prachtvollen Fassaden der Gebäude zu rütteln.

Zwischen 1870 und 1911 versuchte der Diktator Porfirio Diaz den schier niemals endenden Herausforderungen eines progressiven Bevölkerungswachstums mithilfe einer innovativen Reform entgegenzutreten, die bis dato ihresgleichen suchte. Er beschloss, den Lago de Texcoco - der aus heutiger geographischer Sicht mitten in Mexiko Stadt liegen würde - komplett trocken zu legen, um neuen Wohnraum für die zahlreichen Einsiedler der Stadt zu schaffen. Ein Vorhaben, dessen Intention gar nicht so unedel klingt, das jedoch so unzureichend in die Tat umgesetzt wurde, dass es bis heute unfreiwillig die Identität der gesamten Hauptstadt prägt.

Für die völlig verarmte Bevölkerung, die nun auf den ehemaligen Sumpfgebieten haust, bedeutet die tägliche Gefahr eines Erdrutsches in Kombination mit der ebenso latenten Gefahr eines Erdbebens die dauerhafte Gefährdung ihrer gesamten Existenz. Für die Regierungsangestellten und Banker, die in der florierenden Innenstadt ihr täglich Werk verrichten, bedeutet die Auseinandersetzung mit der mangelhaften Erdsubstanz hingegen wohl vielmehr ein Luxusproblem, da im Distrito Federal, kurz: D.F. , die allerwichtigsten baulichen Maßnahmen natürlich längst ergriffen wurden. Selbstredend nimmt das lästige Problem mit der mangelhaften Bausubstanz für sie auch weitaus weniger dramatische Ausmaße an.

Insofern interessiert wohl vor allem Frage nach der eigenen Interpretation eines Paradoxons, das die gesellschaftliche Identität der ehemals größten Stadt der Welt nahezu perfekt resümiert. Einerseits verdeutlichen die völlig unterschiedlichen Ausmaße ein und desselben Problems die tiefe Gespaltenheit Ciudad de Mexicos in Arm und Reich nahezu perfekt und auf der anderen Seite stellt die seit über hundert Jahren vorhandene gemeinsame Problemstellung wohl gleichzeitig die letzte Faser eines völlig ramponierten Fadens zwischen den Eliten Mexico Citys und seinen bettelarmen Bevölkerungsschichten dar.

 

Sonntag, 21. April 2013

Die kulinarische Nahtoderfahrung


Eigentlich besitzt die Reisegruppe Ostdeutschland bei der Wahl ihrer Mahlzeiten eine in Stein gemeißelte Grundsatzordnung. An oberster Stelle steht dabei, dass es für wenig Geld extrem viel Essen geben muss - und das heißt in Mexiko wirklich extrem viel - sowie dass die Hygiene der Küche zumindest deutschen zwei Sternen entspricht. Schlussendlich bedeutet dies dann zumeist, dass wir uns täglich etwa eine Stunde – manchmal auch zwei oder drei - nur mit unserer Restaurant-Auswahl beschäftigen. Bis dato fuhren wir mit dieser tendenziell nervenaufreibenden Essensselektion auch recht gut, doch gestern dachten wir:

"Heute machen wir alles anders."

Aufgrund einer Verabredung in den Abendstunden waren wir etwas in Zeitnot und trafen notgedrungen etwas zügiger unsere sonst bis ins kleinste Detail durchdachte Entscheidung. Ein fataler Fehler.

Unter einer kleinen Ansammlung mexikanischer Spezialitäten begeisterte vor allem Marcus und mich – ganz unserem Prinzip „viel für wenig“ entsprechend - der "platos grande". Auf deutsch: der große Teller. Dementsprechend groß war auch die kulinarische Euphorie unsererseits. Als wir dann jedoch sahen, dass der große Teller skurrilerweise in einer Schüssel serviert wurde, ergriff uns bereits erste Skepsis und wir sezierten die merkwürdige rote Suppe. Bei genauerer Betrachtung erkannten wir dabei so etwas ähnliches wie Fleisch in der fettigen Brühe, das wie rohe Hühnerhaut anmutete. Den Gest... ehm, den Geruch, den dieses ganze Spektakel dabei absonderte, möchte ich an dieser Stelle mal ganz außen vorlassen. Auch unsere Träume, dass dies nur die Vorspeise sei, zerschlugen sich mit einem ruppig-freundlichen „Das ist alles“ der Thekenfrau recht unverzüglich. Ohnehin hatten wir uns bereits gefragt, warum die beiden mexikanischen Köchinnen uns bei unserer Bestellung offensichtlich aus- oder formulieren wir es mal positiv anlachten.

Die Bilanz dieses ganzen Desasters lautete unter dem Strich: 150 Pesos für drei unangetastete "platos grande" und Baggi liegt mit Magen-Darm im Bett.

Die eigentliche Spitze des Eisbergs ereilte uns dennoch aber erst heute früh. Denn beim Frühstück teilte uns unsere mexikanische Gastgeberin mit, dass es sich beim „platos grande“ um ein Gericht handelte, dass selbst unter Mexikanern als außerordentliche Delikatesse gilt. Pancita nannte sich nämlich unser Abenteueressen - gewürzte Suppe mit Schweinemagen. Bon provecho!

Die Moral von der Geschicht: In Zukunft machen wir aus unserer Essenauswahl wohl lieber wieder eine Wissenschaft.

Freitag, 19. April 2013

21 days (und drei Flusenbärte) later

Reisende und ihre Bärte, das ist so eine Sache für sich. Denn: Wann darf man schon mal einfach wuchern lassen, ohne täglich "man, wie siehst du denn schon wieder aus?" zu hören? Vermutlich nie. 

Dementsprechend wollten auch wir uns diese Chance nicht entgehen lassen, deuteten dabei aber immerhin mit unserer fixen Reglementierung auf drei Wucher-Wochen einen Hauch von stets vorhandener Kultiviertheit an. Ich präsentiere (mehr oder weniger) stolz die "Ergebnisse".
















Wie auf diesen drei Bildern eindrucksvoll zu erkennen ist, sieht niemand auf einem Bild aus 50  cm gut aus.


Samstag, 13. April 2013

Aus dem Nähkästchen....

Wie winzigste Petitessen uns doch den Tag verschönern können. Auf unserem x-ten Roadtrip (500 km von Mazatlan nach Guadalajara) erreichten wir gegen Mittag den wohl unbekanntesten Ort der Welt: Ruiz. Eine vielleicht fünfhundert Seelengemeinde, deren gesamtes Leben sich auf mehr oder weniger als einer einzigen Strasse abspielt. Was uns an so einen Ort treibt? Es war der perfekte Zwischenstopp für unsere Route nach Guadalajara und wurde außerdem unserem Wunsch gerecht, auf Biegen und Brechen noch den FC Bayern gegen Juventus Turin in der Champions League in Aktion zu sehen. Das Problem dabei: In gottverlassenen mexikanischen Provinzstädten reiht sich nicht unbedingt Sportsbar an Sportsbar. Nachdem wir uns mit Händen und Füßen (+Spanisch) versuchten, uns zu informieren, wo denn eine Bar mit Champions League zu finden sei, schickte uns der Fußballgott einen Engel.
Das wohl einzig existierende Bild von Ruiz

"Hey guys, can I help u?"

"Was, hier sprechen ja doch noch ein paar Leute Englisch.... euh, sorry, yes of course. We want to watch Bayern Munich somewhere in Ruiz."
"No Problem at all. You can Come With me To My place and watch it." 

Und dieses gibts auch noch ;)
Und ruck zuck saßen die drei whiteys, wie wir uns mittlerweile nennen, in mexikanischem Hause und wohnten dem FCB bei seinem souveränen Halbfinaleinzug unter mexikanisch-deutscher Fachsimpelei bei. 

Apropos Fußball. Als bekennende BVB-Fans sorgten Baggi und ich natürlich dafür, dass auch unsere gestrige Tagestour eine Mittagspause inklusive BVB-Spiel bereithielt. Dies resultierte darin - die Dramatik des Spiels dürfte allgemein bekannt sein - , dass meine Wenigkeit freudetrunken durch ein mexikanisches Lokal hüpfte und mehrere Runden im Kreis sprang. Die übrige Kundschaft war sich schnell einig: "Crazy Germans".

Dienstag, 9. April 2013

Culture Crash


Nach vier Tagen Urlaub im Urlaub in La Paz mit reichlich Strand, Kaltgetränken und Sonnenbrand ereilte uns gestern kollektiv ein Gefühl, das wir in ganz Kalifornien nicht im entferntesten zu spüren bekamen. Wir waren das erste Mal richtige „Ausländer“.

Bereits beim ersten Spaziergang entlang der zauberhaften Promenade von La Paz begrüßte uns eine Gruppe etwa 18-jähriger Halbstarker inmitten eines allgemeinen Schweigens mit dem Wortlaut „los spasticos!“. Es folgte allgemeines Gelächter und ja, der Begriff heißt in etwa das, was ihr vermutet.

In den kommenden Tagen in La Paz und Umgebung stellten Marcus und ich dann immer häufiger - unabhängig von einander - fest, dass uns jede Kellnerin, jede Kassiererin und selbst der betrunkene Taxifahrer so penetrant mustert, als seien wir von einem völlig anderem Stern. Nicht, dass uns das so wirklich stören würde, doch nachdem wir uns gestern darauf geeinigt hatten, dass wir uns die ein oder andere Musterung vielleicht auch nur eingebildet hätten, folgte dann heute die Kirsche auf Sahnehaube. Völlig benommen am Strand liegend bemerkten wir, dass eine Gruppe jugendlicher Mädels mit sich ringt, ob sie denn nun zu uns rüberkommt oder nicht. Warum konnten wir uns auch nicht so recht erklären. Nach mehreren Anläufen fasste sich der einzige Teenager mit minimalen Englischkenntnissen ein Herz fragte für die gesamte Gruppe mit zitternder Stimme: „Can we take a picture with you, please ?“

Natürlich war das kein Problem für uns, führte uns aber auch unweigerlich zu der Erkenntnis, dass wir wohl tatsächlich recht auffällig unterwegs sein müssen. Hatten wir ein paar tausend Kilometer entfernt von Amerika nicht so wirklich erwartet. Von nun an agieren wir deshalb in mexikanischen Städten auch nur noch unter den Pseudonymen Bruce Willis, Bruce Springsteen (Bruce and Bruce), und David Hasselhoff.

Vielleicht noch ein zwei sinnvollere Infos. Vor wenigen Stunden haben wir mit den Baja Ferries den Golf von California überquert und sind nun inklusive Jochen (bzw. seit der Grenzüberquerung Jorgè) auf dem mexikanischen Festland angekommen und von nun an geht’s zügig Richtung Guadalajara, um nur wenig später in eine der größten Metropolen der Welt abzutauchen, Mexiko City.

Des Weiteren erweisen sich unsere Spanischbemühungen – dafür, dass wir keinerlei Vorkenntnisse haben - als durchaus kontinuierlich und wir können mit Fug und Recht behaupten immerhin etwa eine Stunde am Tag in unsere Sprachfertigkeiten zu investieren - was unter unseren aktuellen Lebensumständen als Dauerdurchreisende nicht immer einfach ist. Doch vielleicht sollten wir es mit dem lingualen Ehrgeiz auch nicht zu sehr übertreiben, denn mit der Zauberformel Personalpronomen + Infinitiv + Fingerzeig auf Substantiv sind wir bisher auch recht erfolgreich gefahren.

:-)

Samstag, 6. April 2013

From San Diego to La Paz


Buenos Dias mes amigos! 

In den Kreisen, in denen ich Deutschland verkehre, würde man wohl sagen "wir haben gut Meter gemacht". Innerhalb von fünf Tagen haben wir stattliche 940 Meilen (etwa 1500 Km) zurückgelegt und sind am gestrigen Abend in La Paz, Mexiko angekommen. Wichtigste Erkenntnis dabei: Zum Glück haben  wir mit Jochen nicht die totale Low-Budget-Variante beim Autokauf gewählt, denn bei 35° tagtäglich ohne Klimaanlage durch die Wüste zu fahren, wäre wohl eine wahnsinnige Tortur.

Ich könnte jetzt sicher versuchen, in blumigen Worten zu umschreiben, wie wundervoll die mexikanischen Landschaften und wie lebhaft die Mexikaner sind, doch am besten veranschauliche ich unsere Reise in der Variante, die auch ihr sicher bevorzugt: im Bravo-Fotolovestory-Format! 


Riesige Abschieds-Hausparty in San Diego

Abschied aus San Diego 

Klein ist die Welt, mussten mein Hamburger Kumpel Markus u ich  in San Diego  feststellen.


On The Road

Erster Stop: Ensenada




Örtchen zwischen Ensenada und Guerrero Negro. Sieht etwas trostlos aus? Wars auch!

Jochen hätte wohl auch nicht gedacht, nochmal so viel von der Welt zu sehen.

Duchschnaufen irgendwo im Nirgendwo

Wenn man überhaut mal von so etwas wie Verkehr auf seiner Straße hatte, dann war es das Militär. Zudem  mussten wir auf unserer Reise etwa alle 200 Km kleine Militärstützpunkte passieren.

Zweiter Stop: Guerrero Negro


Große Attraktion in Guerrero Negro: Whale Watching! Absolut atemberaubend!


Der Begriff Absteige erhält in Mexiko neue Superlativen.

Abhängen auf dem Pazifik






Das Wolfsrudel nach 700 Km Autofahrt an der Promenade von La Paz

Finally Arrived in La Paz                                                     

Pünktlich zum Sonnenuntergang kamen wir in unserer neuen 4-Tages-Heimat an.
Der weitere Plan sieht vor, am Montag mit der Fähre auf das mexikanische Festland überzusetzen und mit Karacho Mexiko City in Angriff zu nehmen! Buenas Noches!